Seit meiner gesundheitsbedingten Aufgabe beim Race Across America 2014 habe ich viele Zuschriften mit aufmunternden Worten und Zusprüchen aber auch vielen Fragen bezüglich meines Ausfalls bekommen. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken und den Grund für mein Ausscheiden möchte ich näher erläutern.
Wenn man sich über Jahre auf einem sehr hohen Trainings – und Leistungsniveau bewegt, wird es immer schwieriger Jahr für Jahr noch leistungsfähiger zu werden. Eine Steigerung findet nur mehr in kleinen Teilbereichen statt. Daher sind eine genaue Zielsetzung und eine gut geplante Umsetzung die wichtigsten Faktoren für einen möglichen Erfolg.
Nach einer genauen Analyse der letzten Jahre (Training und RAAM) konnte ich einiges an Verbesserungspotential feststellen. Um dies umzusetzen habe ich mir folgenden Plan bis zum Start des Rennens 2014 gesetzt:
- Trainingsstart im Oktober (zwei Monate früher als in den Jahren zuvor)
- Leistungssteigerung (Watt/Kilogramm) um fünf Prozent
- Reduzierung des Körpergewichts um acht Kilogramm / Körperfettanteil 7 – 9%
- Verbesserung der Trainings- und Wettkampfernährung mit Hilfe der Firma Peeroton
- Formüberprüfungstest Ende April mit meinem gesamten RAAM-Team
- 4 Wochen Höhentrainingslager (über 2.000 Meter Seehöhe) in Gallup, New Mexico, USA
- 1 Woche Hitzetraining in Las Vegas, Nevada, USA
- 1 Woche Rennvorbereitung in Oceanside, Kalifornien, USA
Die Umsetzung meiner Ziele
Dank des früheren Trainingsbeginns konnte ich meine Leistungsfähigkeit wie geplant steigern. Ich überprüfte diese mit einem SRM Powermeter mittels der Wattvorgaben. Die Herzfrequenz dient dabei zur Kontrolle. 2013 betrug meine FTP (functional threshold power), die maximale Schwellenleistung, am Ende der Vorbereitung 330 Watt bei 74 Kilogramm Körpergewicht. Das entspricht 4,46 Watt pro Kilogramm. Ich wusste, dass ich diese Leistung von 330 Watt nur schwer verbessern kann.
Darum habe ich mich vor allem auf die Reduktion meines Körpergewichts konzentriert. Als ehemaliger Bodybuilder hatte ich im Oberkörperbereich zu viel Muskelmasse und durch die Reduktion dieser konnte ich mein Gewicht stark verringern.
Dank der hochwertigen Zusatznahrung und der Beratung durch die Firma Peeroton konnte ich meinen Ernährung entsprechend anpassen und verbessern.
Diese beiden Maßnahmen verhalfen mir dazu mein Körpergewicht wie geplant auf 66 Kilogramm zu verringern. Damit hatte ich meine Leistung auf 4,84 Watt pro Kilogramm erhöht. Das entsprach einer Steigerung von knapp neun Prozent. Ich war mehr als zufrieden, denn fünf Prozent waren das angestrebte Ziel.
Im Profizirkus des Radsports werden Wattleistungen von knapp 6 Watt pro Kilogramm erreicht, jedoch sind meine Werte für einen 47-jährigen Extremausdauerathleten schon beachtlich. Und ich bin mir sicher, dass ich auch 5 Watt pro Kg Körpergewicht erreichen kann!
Finale Vorbereitungsphase
Eine Vorbereitungsfahrt führte mich entlang der Grenzen Oberösterreichs. Die 24-Stunden-Testfahrt über eine Distanz von 645 Kilometern gespickt mit 6.500 Höhenmetern funktionierte reibungslos und besser als erwartet. Ich musste zu keiner Zeit an mein Limit gehen.
Mit entsprechender Zuversicht bin ich Tage später in die USA gereist. Zuerst nach New Mexico um mich auf einer Seehöhe von 2.000 Metern an die trockene Luft zu gewöhnen. Die Luftfeuchtigkeit beträgt dort unter fünf Prozent. Im Vergleich dazu beträgt sie in Österreich auch an heißen Sommertagen mehr als 30 Prozent!
Beim Race Across America bewege ich mich mehrere Tage auf dieser Seehöhe. Das Risiko von Atemproblemen und im Extremfall einer Lungenentzündung ist groß. 2013 widerfuhr mir genau das. Ich hatte mich damals nicht lange genug akklimatisiert und bekam eine Lungenentzündung die meinen Teamarzt dazu bewegte mich aus dem Rennen zu nehmen.
Probleme vor dem Start
Den finalen „Trainingsschliff“ wollte ich mir in Nevada holen. In der Wüste hat es zu dieser Jahreszeit Temperaturen bis zu 50 Grad. Man kann hier die ersten beiden Tage des RAAM perfekt simulieren. Bei meiner ersten Trainingsfahrt spulte ich vier Stunden am Rad ab und dachte mir noch, „heuer passt es perfekt“. Mein Trainingsaufwand der letzten 8 Monate schien sich gelohnt zu haben!
Aber es sollte leider anders kommen!
Am Tag darauf, es war der 30. Mai, hatte ich mir einen Magen-Darm-Virus eingefangen. Mein Teamarzt vermutete sogar eine Lebensmittelvergiftung. In den folgenden fünf Tagen verlor ich weitere 5 Kilo an Körpergewicht. Extremes Unwohlsein und Durchfall hatten dazu geführt. Am Ende wog ich nur mehr knapp 60,5 Kg!!!!
Entsprechend schwach fühlte ich mich, und das weniger als zwei Wochen vor dem Rennstart. Während dieser 5 Tage hatte ich oft daran gedacht, dass es wohl besser wäre meinen Start beim RAAM abzusagen. Wenn man sich so lange mit solch einem extremen Aufwand auf das RAAM vorbereitet, will man trotzdem alles versuchen um doch noch an den Start gehen zu können. Im Nachhinein betrachtet war es wohl ein Fehler!
Eine Woche vor Rennbeginn traf mein Team in Kalifornien ein. Sie hatten im Anschluss alles unternommen um mich wieder auf Vordermann zu bringen. Es wuchs der Optimismus bei mir, jedoch wusste ich, dass eine schnelle Zeit bei meiner gesundheitlichen Verfassung schwer möglich sein würde.
Ab sofort hatte ich nur mehr ein Ziel, ohne weitere Probleme gesund nach Annapolis zu kommen!
Bereits bei den letzten Trainingseinheiten vor dem Rennen musste ich leider feststellen, dass meine Leistungsfähigkeit, obwohl ich mich wieder besser fühlte, immer noch stark eingeschränkt war. Niedrige Wattleistung bei viel zu hohem Puls waren die Folge! Eine Woche Krankheit sorgten dafür, dass meine Werte vergleichbar waren mit jenen vom Trainingsbeginn im Herbst 2013. Acht Monate Training schienen vernichtet. Ich glaube, jeder kann sich vorstellen, was zu diesem Zeitpunkt durch meinen Kopf ging!
Persönliche Bestzeit zur Rennhälfte
Ein Ass hatte ich noch für das Rennen im Ärmel. Die Erfahrung und Routine ein vernünftiges und überlegtes Rennen zu fahren. Dies funktionierte auch gut. Ohne meinen Gesundheitszustand weiter zu schädigen konnte ich mich in den ersten Tagen auf den zweiten Gesamtplatz nach vorne arbeiten. Das war auch in diesem Jahr das Maximum, denn Christoph Strasser fuhr fantastisch und in einer eigenen Liga.
Dank Peeroton konnte ich meinen Energiebedarf ohne weiterer Komplikationen mit dem Magen abdecken. Das stimmte mich sehr zuversichtlich, denn die optimale Ernährung während des Rennes war in den letzten Jahren immer eine sehr große Herausforderung und führte sehr oft zu Problemen.
Zur Rennhälfte staunte ich nicht schlecht, ich erreichte den „Halfway Point“ noch nie schneller!
Nächster Dämpfer
Nach Rennhälfte folgte aber der nächste Dämpfer. Ich bekam ein Shermer’s Neck. Die Nackenmuskulatur verliert dabei zunehmend an Kraft und die Entlastung bzw. Erholung der Muskeln in diesem Bereich ist aufgrund der wenigen Pausen nicht mehr gegeben.
In der Rennanalyse habe ich festgestellt, dass die Probleme begannen, als ich versuchte nach vier Tagen auf dem Rad während einer längeren Abfahrt über 40 Meilen in einer noch besseren aerodynamische Position zu fahren. Dabei hatte ich meinen Oberkörper noch weiter abgesenkt, was wiederum zu Folge hatte, dass ich für den Blick nach Vorne mein Kinn weiter anheben und somit meine Nackenmuskulatur mehr belasten musste.
Mit Tapes, speziellen Schienen und einem Aufbau am Lenker um das Kinn abzustützen, konnten wir das Shermer’s Neck ein wenig kaschieren. Kurzfristig sorgten diese Lösungen für Entlastung und eine Verbesserung der Situation. Aber leider nur kurzfristig. Um trotz des Shermer´s Neck weiter ordentlich Radfahren zu können, es ging dabei speziell um den Blick nach Vorne, veränderte ich meine Sitzposition auf dem Rad. Aber genau diese ungewohnte Sitzposition verursachte in weiterer Folge Probleme mit dem Rücken und den Knien. Stunde für Stunde wurden die Schmerzen größer.
Richtige Entscheidung
Wäre ich zum ersten Mal beim RAAM angetreten, hätte ich alle Risiken in Kauf genommen und versucht unbedingt das Ziel zu erreichen.
Wie bereits erwähnt, habe ich genug Erfahrung in meinen bisherigen RAAM-Teilnahmen gesammelt. Ich wusste, dass die Probleme mit dem Nacken, dem Rücken und den Knien nicht besser, sondern wahrscheinlich noch schlimmer werden würden!
In der Vergangenheit bin ich oft genug als körperliches Wrack über die Ziellinie gerollt. Daher musste ich mir und niemanden mehr beweisen, wie weit ich an bzw. über mein Limit gehen kann.
Es war keine leichte Entscheidung das Rennen auf Platz zwei vorzeitig zu beenden.
Heuer hat meine Vernunft über meinen „Sturmschädel“ gesiegt!
Bereit für das RAAM 2015
Das Race Across America ist seit Jahren „meine Plattform“, wo ich mein theoretisches Wissen über Zielsetzung, Motivation und Durchhaltevermögen in die Praxis umsetzen kann.
Heuer musste, besser gesagt durfte, ich wieder viel lernen. Denn durch Niederlagen bzw. Fehler lernt man bekanntlich am meisten. Ich habe ein weiteres „RAAM-Studienjahr“ abgeschlossen 🙂 !
Für mich gilt der berühmte Satz von „Winston Churchill“ Erfolg heißt einmal mehr aufstehen als liegenbleiben! Daher werde ich auch 2015 wieder beim RAAM an den Start gehen, getreu nach meinem Leitspruch von „Walt Disney“
„If you can dream it, you can do it!”
Und dann zum 10. Mal in Folge 🙂
Danke!
Ich möchte mich bei meinen Sponsoren herzlich bedanken. Ihr haltet mir seit Jahren die Treue und unterstützt mich auch in den schwierigsten Momenten meiner Karriere. Vielen Dank dafür!
Einen besonderen Dank möchte ich auch meinem Team aussprechen. Eure Leistung kann gar nie hoch genug gewürdigt werden.
Nicht zuletzt möchte ich mich für die Unterstützung meiner Fans und Freunde bedanken. Euer Zuspruch ermutigt mich immer wieder weiter zu machen!
Euer Gerhard